Endlager für Schweizer Atommüll

Der Bözberg im im internationalen Vergleich

Die Anhäufung von hochaktivem Atommüll beschert Mensch und Umwelt in Mitteleuropa Gefahren und Risiken für die nächste Million Jahre. Im Zwischenlager (Zwilag) von Würenlingen erhöht sich die Menge der strahlenden „Rückstande“ aus Schweizer AKW in den nächsten Jahren ganz massiv: Das Atomkraftwerk Mühleberg wird rückgebaut. Der Atommüll muss auf unabsehbare Zeit zwischengelagert werden. Die Frage der Endlagerung ist weder in der Schweiz noch weltweit geklärt.

Das seit drei Jahrzehnten von der „Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle“ (Nagra) angepeilte „geologische Tiefenlager“ im Opalinuston lässt weiterhin auf sich warten. Weil unter dem Bözberg die Gesteinsschicht Opalinuston in „erreichbarer“ Tiefe liegt und weil das Zwilag im Wortsinn „nahe-liegt“, rückte der Bözberg schon früh in den Fokus des Interesses. „Tiefen“-lager heisst nichts anderes als verbuddeln und vergessen – 1 Million Jahre für den hochaktiven Müll . So lange dürfen die radioaktiven Atome  nicht an die Erdoberfläche gelangen. Das „Endlager“ muss so tief liegen, dass ihm weder tektonische Störungen (Erdbeben!), Grundwasser, noch Erosion (Eiszeiten) etwas anhaben können. Niemand sollte zudem „zufällig“ ins unsichtbare und „vergessene“ Lager hineinbohren und die Abdichtung stören und zerstören. Die Gesellschaft, Politiker und Verbände sind sich einig: Keine heutige staatliche Macht kann Sicherheit für Hunderte von tausend Jahren „garantieren“ oder gar durchsetzen.

Die Serie beginnt mit dem Artikel „Wieviel Kohle liegt unter dem Bözberg?“: Die Nagra sucht einen Endlagerstandort im Opalinuston unter dem Bözberg. Opalinuston ist eine knapp hundert Meter dünne Gesteinsschicht, die vor rund 170 Millionen Jahren im damaligen Jurameer als Ablagerung von Tonsediment entstanden ist. Unglücklicherweise liegen darunter nicht das wirtschaftlich uninteressante „kristalline Grundgebirge“ (Gneis und Granit) sondern nochmals bis 100 Millionen Jahre ältere Ablagerungen aus der erdgeschichtlichen Zeit des Perms und des Karbons. Diese Schichten im mehrere Kilometer tiefen Permokarbontrog enthalten Kohle, Gas, möglicherweise Erdöl und Erdwärme. Sollten spätere Nutzer der Erde solche Bodenschätze suchen, könnten sie unvermutet auf den verbuddelten, immer noch strahlenden Atommüll treffen und so den radioaktiven Stoffen den Weg an die Erdoberfläche ermöglichen. Dies widerspricht dem Konzept der sicheren „Entsorgung im Tiefenlager“ und birgt unkalkulierbare Risiken. Pro Bözberg hat in einer Stellungnahme von der Nagra verlangt, dass die geplanten Sondierbohrungen nicht nur den Opalinuston erkunden, sondern auch Daten aus dem Permokarbontrog liefern müssen. Aufgrund der heutigen Kenntnisse und geltenden Kriterien darf ein Endlager nicht über nutzbaren Bodenschätzen angelegt werden.

Weitere Themen/Aspekte werden Bözberg-orientiert und vertieft dargestellt (Auswahl): Das Erdbebenrisiko eines schweizerischen Endlagers im europäischen Vergleich. Die Risiken des Endlagers für das dichtest besiedelte Rheintal bis nach Holland. Wie versuchen  andere Länder ihre Probleme mit dem Atommüll anzugehen? Die Rahmenbewilligung als Alibi für neue Atomkraftwerke der 4. Generation? Wo bekommen wir für unser Geld den sichersten Lagerplatz? Wie gefährlich ist Radioaktivität wirklich?

Angesichts der zehntausenden von Berichtseiten, der bisherigen Irrungen und Schwenkungen der Nagra (vom Anhydritgestein der Standorte Airolo, TI, und Ollon VD, zum Mergel des Wellenberg, NW, über das Kristalline Grundgebirge des Piz Pian Grand, GR, sowie der Nordschweiz bis hin zum Opalinuston), der verharmlosenden Propaganda, der undurchsichtigen Verflechtungen der Akteure ohne klare Organigramme, Pflichtenhefte und Verfahren ist es für die Bewohner der vorgesehenen Standortgebiete fast unmöglich, den Überblick über Fakten und Mutmassungen zu behalten. Gegenexpertise folgt auf Expertise, was wiederum nach Oberexpertisen ruft. Sicher ist: Es dauert nach den bisherigen Erfahrungen noch lange, bis sich eine realistische und realisierbare Lösung konkretisiert; die Zeitpläne der Nagra waren und bleiben wirklichkeitsfremd.

Die langen Planungszeiten bergen grosse Risiken wie Unfälle, politische und wirtschaftliche Veränderungen, die heutige Annahmen völlig verändern können. Als Vorteile des Vorgehens „Eile mit Weile“ erweisen sich: Die geologischen Kenntnisse werden immer besser. Die technische Entwicklung geht (zurzeit) im Gleichschritt mit dem Wachstum und der Globalisierung weiter. Es besteht damit die Pflicht, sich laufend und intensiv mit grundsätzlichen Fragen, Vergleichen und besseren Lösungen auseinanderzusetzen – und die Erkenntnisse in den Entscheidungen über die Zukunft des Schweizer Atommülls zu berücksichtigen.

André Lambert und Heiner Keller, Mitglieder des Vorstandes, 10. September 2018

Haltung von Pro Bözberg bezüglich der Entsorgungsfrage