Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 2: Stellungnahme mit Anträgen zur Etappe 3

Verein Pro Bözberg gibt Stellungnahme mit Anträgen ans Bundesamt für Energie ab

Effingen, 29. Januar 2018

Sachplan geologische Tiefenlager Etappe 2: Stellungnahme mit Anträgen zur Etappe 3

Sehr geehrte Damen und Herren

„Pro Bözberg“ ist ein kantonal einsprache- und beschwerdelegitimierter Verein. Er begleitet das Sachplanverfahren mit kritischer Aufmerksamkeit, insbesondere die sachliche Nachvollziehbarkeit der Standortauswahl und die zeitliche Richtigkeit der Entscheide von Nagra und Bundesbehörden. In Übereinstimmung mit dem Kernenergiegesetz besteht Pro Bözberg darauf, dass bei der Standortwahl zur Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle ausschliesslich Sicherheitskriterien gelten. Zu keiner Zeit dürfen weder politisch-wirtschaftliche Machbarkeiten noch geographische Opportunitäten (z.B. die Nähe zum Zwischenlager Würenlingen) oder Verfahrenschritte für definitive Entscheide relevant sein.

Im Rahmen der Anhörung nimmt der Verein Pro Bözberg (z.Z. 1780 Mitglieder), vertreten durch seinen Vorstand, hiermit Stellung zu den Ergebnissen von Etappe 2 SGT. Er stützt sich dabei auf die in seinen Vereinsstatuten festgeschriebenen
Zweckbestimmungen. Im genannten Zusammenhang relevant sind für den Verein Pro Bözberg folgende Themen und daraus abzuleitende Anliegen:

1. Erhalt und Pflege der Landschafts- und Naturwerte sowie der Erholungs- und Tourismusfunktionen in der Region Bözberg–Oberes Fricktal.
2. Erhalt und Pflege der ungeschmälerten Werte für die Thermalwassernutzung in der Region Bözberg–Schinznach–Brugg
3. Massnahmen gegen zusätzliche Verkehrs- und Lärmbelastung während SGTEtappe 3
4. Gleichbehandlung aller drei im Verfahren verbliebenen Standortregionen bezüglich Tiefgang und Qualität der geowissenschaftlichen Exploration und erforderlichem Kenntnisstand für die Standortwahl. Vorgabe entsprechender Ausschlusskriterien, die auch internationalen Standards genügen.
5. Angesichts des Realisierungsplanes (Betriebsbewilligung Lager HAA ab 2060), müssen zwingend auch Alternativen (neue technische Möglichkeiten) und konkrete Risikovergleiche für Mensch und Umwelt mit andern europäischen Endlagerkonzepten geprüft und beurteilt werden.

Pro Bözberg stellt dazu folgende konkrete Forderungen:

Zu 1.

Erhalt und Pflege der Landschafts- und Naturwerte sowie – damit einhergehend – der Erholungs- und Tourismusfunktionen in der Region Bözberg–Oberes Fricktal sind für die ökonomische und ökologische Weiterentwicklung der Region zentral. Sie dürfen durch ein Endlagerprojekt nicht geschmälert werden. Bereits die Fokussierung auf lediglich drei potenzielle Standorte und deren Untersuchung hat schon während der Etappe 3 negative Vorwirkungen: Mit der Perspektive als möglicher Endlagerstandort sinkt – offen wie unterschwellig – die künftige Investitionsbereitschaft in Erholungs- und Tourismusprojekte, einschliesslich deren verkehrsmässige Erschliessung.
Sowohl die geologischen Untersuchungen (Bohrungen usw.) als auch die absehbare Bautätigkeit (Zufahrten, Erschliessung, Schacht- und Stollenanlagen usw.) entfalten beeinträchtigende Vorwirkungen. Um diese auszugleichen, erwartet Pro Bözberg ab Beginn von Etappe 3 Vorschläge betreffend zeitgerechte Kompensations- und Ersatzmassnahmen. Solche dürfen nicht auf eine spätere Etappe der Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschoben werden.

Zu 2.

Der Erhalt der ungeschmälerten Werte für die Thermalwassernutzung in der Region Bözberg–Schinznach–Brugg ist ein fraglos unverzichtbarer Aktivposten zur Weiterentwicklung der Region. Auch hier entfalten die Sachplanaktivitäten bereits in der Etappe 3 beeinträchtigende Vorwirkungen, insbesondere bezüglich dem Image der bestehenden Bäderanlagen und deren Weiterentwicklung. Es ist deshalb in Etappe 3 konkret aufzuzeigen, welche Massnahmen eine allfällige qualitative Beeinträchtigung und/oder quantitative Schmälerung der Thermalwassernutzung verhindern können (siehe auch Pkt. 4). Zur Beweissicherung ist eine regionale Überwachung der Thermalwasserzuflüsse in der Region Bözberg–Schinznach–Brugg zu installieren. Zudem sind Massnahmen aufzuzeigen und vorzubereiten, die bei einer entsprechenden Havarie ergriffen werden müssten.

Zu 3.

Bereits in der Etappe 3, welche gemäss aktuellem Zeitplan mindestens 13 Jahre lang dauern soll, ist mit erheblichen zusätzlichen Verkehrs- und Lärmbelastungen zu rechnen, bei Bohrarbeiten auch in der Nacht und am Wochenende. Dies stört nicht nur die Anwohner und erholungssuchende Besucher, sondern auch die Natur (Tiere werden durch Lärm und Lichteinwirkungen gestört, ev. vertrieben, möglicherweise sind wichtige Wildwechsel betroffen). Der Verein Pro Bözberg erwartet einen konkreten Massnahmenkatalog, der aufzeigt, wie diese Beeinträchtigungen minimiert und kompensiert werden sollen.

Zu 4.

In Etappe 3 verbleiben gemäss den fachlichen Beurteilungen des Bundes (Ensi) und der Kantone (AdK, AG SiKa/KES) noch drei potenzielle Standorte. Der Verein Pro Bözberg erwartet vom Bundesrat, dass alle drei Gebiete geologisch, hydrogeologisch und geophysikalisch gleichwertig untersucht, ausgewertet und auf vergleichbarem Kenntnisstand beurteilt werden. Dies bedingt namentlich, dass an allen drei Standorten die erforderliche, von der Nagra wissenschaftlich begründete Anzahl Tiefbohrungen durchzuführen ist. Auch sind die hydrogeologische Situation (oberflächennahe
Wasserkreisläufe und Tiefengrundwässer) sowie die quartärgeologischen (glaziale Tiefenerosion) und die seismologischen Langzeitrisiken durch geeignete Untersuchungen und Messreihen zu belegen und nicht lediglich mit numerischen Modellen darzustellen. Sollte die Nagra einzelne der von ihr wissenschaftlich begründeten, beantragten und behördlich bewilligten Bohrungen nicht durchführen wollen, ist dies von ihr sachlich zu begründen sowie vom Ensi und der AGSiKa/KES zu beurteilen. Andernfalls untergräbt die Nagra ihre Glaubwürdigkeit bezüglich des von ihr selbst formulierten Explorationskonzepts.

Seit der Nagra-Bohrung Riniken (1983/84) steht fest, dass das Grundgebirge unter dem Bözberg weitreichend aus mehrere Kilometer mächtigen Sedimenten des Karbon- und Perm-Zeitalters besteht. Diese Ablagerungen enthalten nachweislich (Bohrungen Weiach 1983 und 2000) Kohle- und Erdgasvorkommen. Daraus ergibt sich – zum ohnehin schon bestehenden Geothermiepotenzial – zwingend ein zukünftiger Nutzungskonflikt mit einem darüber (d.h. im Opalinuston) installierten Atommüll-Endlager. Die Nagra ist daher vom Bundesrat zu verpflichten, aufgrund adäquater Abklärungen (z.B.  Tiefbohrungen kombiniert mit Reflexionsseismik), die möglichen Nutzungskonflikte bezüglich der
Langzeitsicherheit eines Endlagers wissenschaftlich zu bewerten. Die Ergebnisse sind sodann von den Aufsichtsbehörden zu beurteilen.

Zu 5.

Zusätzlich zu den geltenden Sicherheitskriterien gemäss „Konzeptteil Sachplan“ verlangt das Kernenergiegesetz (Artikel 14) die vorgängige Festlegung von Ausschlusskriterien, „bei deren Nichterfüllung ein vorgesehener Lagerbereich wegen fehlender Eignung ausgeschlossen wird“.
Diese Ausschlusskriterien müssen:

  • wissenschaftsmethodisch mess- und kontrollierbar sein
  • dem international geltenden Standard entsprechen
  • neueste technische Entwicklungen berücksichtigen
  • Risikovergleiche mit andern europäischen Lösungen beinhalten.

Pro Bözberg vertritt die Auffassung, dass auch ein Risikovergleich betreffend Mensch und Umwelt erforderlich ist, der mindestens die geplanten europäischen Endlager mit einbezieht. Dabei sind die auf internationaler Ebene anerkannten Kriterien anzuwenden (siehe oben). Dadurch sollen die länderspezifischen Sicherheitsunterschiede transparent aufgezeigt und entsprechende Schlussfolgerungen für die nukleare Entsorgungspolitik der Schweiz formuliert werden.

Aufgrund der langen Realisierungspläne ist dafür genügend Zeit vorhanden. Vor diesem Hintergrund sieht Pro Bözberg keine Notwendigkeit auf rasche Standort-Entscheide zu drängen.

Der Verein Pro Bözberg erwartet eine angemessene Berücksichtigung seiner Anliegen im kommenden Bundesratsentscheid und eine fundierte Bearbeitung seiner Forderungen.

Freundliche Grüsse

Verein Pro Bözberg
Namens des Vorstands
Otto H. Suhner, Präsident    Dr. iur. René Müller, Beisitzer

Kopien:
– Stadt Brugg
– Kanton Aargau, Dept. BVU
– Bad Schinznach AG, Herrn Dir. Marcus Rudolf

>>> Vernehmlassung_Pro Bözberg_SGT-E2 (scan, pdf)