Geologische Tiefenlager: Die Standortfrage spitzt sich zu

Die Nagra bohrt am Bözberg. Einmal mehr: schon 1983/84, damals in Riniken. Dort lag aber das erhoffte Kristallingestein unerreichbar tief. Ein Fehlschlag! Nun glaubte die Region 35 Jahre lang, von der Endlagerfrage verschont zu werden. Inzwischen wurde der Opalinuston als „Alternative“ zum Kristallin entdeckt. Auch am Bözberg. So wurde der „Bözberg“ zu Jura Ost und damit abermals zum Mitfavoriten für ein Tiefenlager, neben Lägern Nord und Zürich Nordost. Einer der drei Standorte soll das Endlager „bekommen“.

Nun wird der Untergrund der drei Gebiete geologisch erkundet: Die Schicht-Strukturen mit seismischen Messungen, die Gesteine mit Bohrungen. Dann müssen alle Befunde und Erkenntnisse aus diesen Bohrungen mit den Ergebnissen der seismischen Erkundung kombiniert und für jedes Standortgebiet in ein räumliches geologisches Modell der Struktur und des Schichtaufbaus integriert werden. Eine absolut unverzichtbare Grundlage für die darauf aufzubauende hydrogeologisch-geotechnische Synthese der Gegebenheiten im Gesteins-Untergrund. Und erst danach wird die mögliche Eignung für die langzeitsichere Aufnahme eines Endlagers überhaupt seriös beurteilt und die Auswahl eines Standorts glaubwürdig zu begründen sein. Die Behörden beteuern dabei die Prämisse: Sicherheit hat höchste Priorität! Genau dies fordert der Verein Pro Bözberg, kompromisslos und im Einklang mit dem Aargauer Regierungsrat.

Dessen ungeachtet plant die Nagra demnächst eine Zäsur von inhärent gesellschaftspolitischer Brisanz: die sogenannte „Bekanntgabe“ des Standorts, für den die Nagra ein Rahmenbewilligungsgesuch gemäss Kernenergierecht vorbereiten will. Diese „Bekanntgabe“ ist freilich nichts anderes als die vorgezogene Standortwahl!  Und diese soll gemäss Nagra-Planung bereits in zwei Jahren erfolgen. Das heisst lange bevor die unabdingbaren Ergebnisse der oben genannten geologischen Exploration (Bohrungen) überhaupt ansatzweise fundiert ausgewertet und in eine konsistente Synthese der erdwissenschaftlichen Gegebenheiten im Untergrund der Nordschweiz integriert sein können! Wir werten dies als überhastetes Vorgehen der Nagra, das auch beim Ausschuss der Kantone (AdK) auf Ablehnung stösst. Der AdK kritisierte in seiner Stellungnahme vom September 2017: „Faktisch erfolgt mit diesem Schritt die Standortwahl für ein oder zwei Tiefenlager. Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente müssen wissenschaftlich-technisch fundiert sein; dies bedingt zumindest in den Grundzügen frühzeitig deren Begutachtung, damit das Risiko eines Fehlentscheids – und damit das Misslingen des Sachplans – minimiert werden kann.“

Unabhängig davon reichte der Vorstand des Vereins Pro Bözberg  dem Technischen Forum Sicherheit im September 2017 formell eine Frage zu dieser politisch heiklen Präzedenz der Standortwahl ein:
https://www.ensi.ch/de/technisches-forum/vorzeitige-standortfestlegung-in-etappe-3/
Wie aus den Antworten der zuständigen Behörden (BFE, Ensi) zu entnehmen ist, erkannten diese immerhin den politischen Zündstoff: Denn die Nagra hat zugesichert, ihren internen Entscheid mit einem begleitenden Bericht zu begründen. Mehr nicht. Daher gilt es für die Bevölkerung des Bözbergs, die weitere Entwicklung mit Argusaugen zu verfolgen und sowohl auf Verfahrenstransparenz und propagandafreie Information über die Ergebnisse der laufenden Felduntersuchungen (namentlich der Tiefbohrungen) und der daraus erarbeiteten Synthesen zu bestehen.

Mit seiner Frage 147 an das Technische Forum Sicherheit hat der Verein Pro Bözberg  auch dazu beigetragen, dass das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi die Nagra verpflichtet hat, in einem Konzeptbericht darzulegen, welche Referenzberichte wann fertiggestellt und zur Publikation bereit sein werden. Dieser Bericht liegt nun vor und kann über die homepage der Nagra heruntergeladen werden:

https://www.nagra.ch/de/cat/publikationen/arbeitsberichte-nabs/nabs-2019/downloadcenter.htm

 

Der Vorstand von Pro Bözberg  wird den zu erwartenden Referenzberichten mit kritisch geschärfter Aufmerksamkeit begegnen und sich bei Unklarheiten und Widersprüchen in geeigneter Weise zu Wort melden.

Bözberg, 22. Juni 2020                   Der Vorstand