Nukleare Tiefenlager: Pro Bözberg nimmt Stellung

Nukleare Tiefenlager: Pro Bözberg nimmt Stellung

Medienorientierung der Nagra am 3. November 2020 über laufende Bohrungen:  
Pro Bözberg kritisiert voreilige  Folgerungen und verfrühte Standortwahl

Die Gebiete Bözberg (Jura Ost), Nördlich Lägern sowie Zürcher Weinland (Zürich Nord-Ost) sind seit zwei Jahrzehnten alternativlos die einzigen drei Standort-Optionen, falls ein nukleares Endlager im Inland realisiert werden sollte. In diesen drei Gebieten führt die Nagra seit 2019 einmal mehr Sondierbohrungen durch. Darüber berichtete sie am 3. November 2020 im Rahmen eines online durchgeführten Anlasses für die angemeldeten Medienschaffenden.
https://www.nagra.ch/de/news/medienmitteilungdetail/in-allen-drei-gebieten-koennten-wir-ein-sicheres-tiefenlager-bauen.htm

Vorgezogene Schlussfolgerungen auf ungenügender Faktenbasis

Obschon die Bohrkampagne erst seit wenigen Monaten läuft und noch mindestens zwei weitere Bohrungen vorgesehen sind, zieht die Nagra bereits abschliessend positive Folgerungen, ohne wirklich offenzulegen, auf welchen Fakten diese beruhen.
Pro Bözberg erachtet diesen Befund in seiner Voreiligkeit als wissenschaftlich fragwürdig. Denn die präsentierten Resultate beschränken sich auf die Eigenschaften des angeblich geeigneten Lagergesteins (Opalinuston). Doch dies allein genügt für die Beurteilung der Langzeitsicherheit eines Standorts bei weitem nicht! Denn es gilt, zusätzliche, absolut sicherheitskritische Faktoren zu bewerten: u.a. tektonische Beanspruchung, Oberflächen- und Tiefengrundwasser, geochemische Verhältnisse, seismische Risiken. Besonders  heikel sind Erosionsfragen: Selbst ein ideales Wirtsgestein ist absolut wertlos, wenn es ein künftiger Eiszeit-Gletscher in geologisch kürzester Zeit samt Lagerinhalt weggeschürft.

Aus dem Blickwinkel einer nüchternen Bewertung aller sicherheitskritischen Faktoren bleiben an den drei Standortgebieten weiterhin fundamentale Fragen offen. Diese Überzeugung vertritt  der Vorstand von Pro Bözberg namentlich aufgrund von Erkenntnissen während seiner Studienreisen nach Frankreich (https://proboezberg.ch/atommu%cc%88ll-endlager-studienreise-nach-frankreich-bringt-neue-erkenntnisse/) sowie im Felslabor Mont Terri (Kt. JU): Vor Ort konnte er sich von Sachverständigen unabhängig informieren lassen. Gestützt auf diese Erfahrungen hält Pro Bözberg fest: Die bohrtechnischen Untersuchungen der Nagra und die Feststellung, dass geeignetes Gestein zur Verfügung steht ist lediglich ein Puzzleteil in der Sicherheits-Gesamtbeurteilung. Erst auf der Basis einer umfassenden Gesamtsynthese des aktualisierten Kenntnisstands und der Bewertung der noch offenen sicherheitskritischen Fragen einschliesslich des Einlagerungskonzepts, wird ein wissenschaftlich konsistenter Vergleich der Langzeitsicherheit in allen drei Standortgebieten belastbar Bestand haben können.

Standortentscheid 2022

Ungeachtet all dieser fundamentalen Vorbehalte bekräftigte die Nagra auch an dieser Medienorientierung, bereits 2022 den Standort für die Ausarbeitung des Rahmenbewilligungsgesuchs bekanntgeben zu wollen. Dies wäre allerdings die Vorwegnahme der Standortwahl, mithin ein Entscheid von ungeahnter Tragweite! Wer aber davon ausgeht, die Nagra würde diesen voreiligen Standortentscheid zumindest mit einer sachlich konsolidierten Begründung vorlegen, unterliegt einem Irrtum. Denn Pro Bözberg hatte dazu die konkrete Frage dem Technischen Forum Sicherheit gestellt (https://www.ensi.ch/de/technisches-forum/vorzeitige-standortfestlegung-in-etappe-3/). In der publizierten Antwort der Nagra wird lediglich ein „kurzer Bericht“ in Aussicht gestellt, denn die Begründung werde zgZ. in den Gesuchen zur Rahmenbewilligung dokumentiert. Also erst in vielen Jahren! Ein irritierendes Vorgehen; es verstärkt den unguten Eindruck, der Standortentscheid werde vorzeitig, irreversibel und trotz noch lückenhafter Sachgrundlage  am Publikum vorbei zur vollendeten Tatsache in Stein gemeisselt.

Dies stünde im eklatanten Widerspruch zu den Beteuerungen der Nagra, wonach sie der Sicherheit stets erste Priorität einräume. Genau diese Prämisse dominiert auch die Verlautbarungen der zuständigen Bundes- und Kantonsbehörden. Ebenso kompromisslos unterstreicht der Verein Pro Bözberg diese Forderung und beobachtet mit weiterhin geschärfter Aufmerksamkeit die Entwicklung. Der Vorstand wird sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ggf. bei den zuständigen Behörden Gehör zu verschaffen wissen.

Der Vorstand

Bözberg, 23. November 2020

Bettagsanlass und Mitgliederversammlung 2020, Schwerpunktthema Nagra-Bohrungen

Infolge der Corona-Pandemie fanden die beiden Veranstaltungen kombiniert statt. Im Mittelpunkt standen Informationen über die laufende Tiefenlager-Evaluation.

Text und Fotos: Max Weyermann, Brugg

Zur ursprünglich für den 25. März geplant gewesenen und nun am 20. September abgehaltenen Mitgliederversammlung kamen in der Turnhalle Unterbözberg rund 50 Personen zusammen, dies unter Beachtung der Covid-19-Massnahmen.

Zwei Kernbereiche

In seinem Jahresbericht hielt Präsident Otto H. Suhner Rückblick auf  die 2019 durchgeführten Anlässe. Dazu gehörten eine Studienreise ins für die nukleare Entsorgung in Frankreich wichtige Felslabor Bure sowie eine Waldbegehung auf dem Bözberg mit Kantonsoberförster Alain Morier. Damit standen zwei zentrale Anliegen des Vereins im Fokus. Einerseits will sich dieser weiterhin dafür einsetzen, dass sich die definitive Standortwahl für ein Tiefenlager ausschliesslich an der Sicherheitsfrage orientiert und nicht an politischen oder geografischen Opportunitäten. Andererseits ist und bleibt auch eine schonende Waldbewirtschaftung ein zentrales Thema. Der Vorstand hält dazu fest: „Mit Unverständnis begegnen wir auf dem Bözberg, in Teilen des Oberen Fricktals und auf dem Linnerberg laufend zahlreichen grossflächigen und radikalen Holzschlägen im Wald. Die eingesetzten schweren Gerätschaften hinterlassen eigentliche Pisten mit Bodenverdichtungsfolgen.“  Der Verein verlangt für das geschützte BLN-Gebiet nach wie vor die Respektierung und Einhaltung der eidgenössischen und kantonalen Vorgaben zum Schutzstatus des Waldes und stellt bei festgestellten Verstössen Anzeigen gegen die Schadenverursacher in Aussicht. Zudem wird Pro Bözberg in einem Schreiben an Stephan Attiger, Vorsteher des Departementes Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) darauf drängen, dass der unverantwortliche Bewirtschaftungsart  Einhalt geboten wird.

Traktanden in Kürze

Die  wegen den nachfolgenden Nagra-Programmpunkten im Eiltempo durchgezogene Mitgliederversammlung verabschiedete die Rechnung 2019 und das Budget 2020 mit einem Mehraufwand von je rund 4500 Franken. Mit erheblichem Aufwand wurde die Webseite (www.pro-boezberg.ch) aktualisiert und neu aufgeschaltet. Angesichts des Vermögensstandes beliesst die Versammlung die bisherigen Jahresbeiträge wie gehabt. Der achtköpfige Vorstand erhielt seine Bestätigung in globo. Der Verein zählt aktuell 1658 Mitglieder. Die nächste Versammlung ist für den 25. März 2021 vorgesehen.

Referat und Besichtigung

Philipp Senn, Leiter Public Affairs und stellvertretender Bereichsleiter Zusammenarbeit und Öffentlichkeitsarbeit der Nationalen Gesellschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), referierte anschliessend aus der Sicht des Geologieingenieurs über die Arbeiten im Hinblick auf die Evaluation eines Tiefenlagers. Die drei ins Auge gefassten Standorte in der Nordschweiz werden gemäss seinen Aussagen nach zahlreichen Kriterien gründlich untersucht. Ziel ist es, das ausgediente Material aus den Kernkraftwerken und aus weiteren Quellen ungefähr ab 2050/2060 in unserem Land einlagern zu können. Gerechnet wird mit einem Volumen von 100 000 Kubikmetern, was in etwa dem umbauten Raum der Zürcher Bahnhofhalle entspricht. Die vorgängige Standortbewilligung könnte voraussichtlich um 2030 vorliegen. Die im Bözberggebiet („Jura-Ost“) durchgeführten seismischen Untersuchungen und die beiden aktuellen Tiefbohrungen Bözberg 1 (südlich von Vierlinden) und Bözberg 2 (südöstlich von Sennhütten, Effingen) sollen zeigen, ob  sich der hiesige Untergrund für die Realisierung dieses Projektes eignen würde. Die bis auf 1000 Meter abzutiefenden Bohrungen durchqueren die rund 100 Meter dicke Opalinuston-Schicht sowie das unmittelbar darunter und darüber liegende Gestein. Die Zusammensetzung und die Eigenschaften der aus dem Untergrund heraufgeholten Bohrkerne werden in spezialisierten Labors analysiert. Der 175 Jahre alte Opalinuston ist ein Ablagerungsgestein aus dem Mesozoikum (Erdmittelalter), das aus feinen Tonpartikeln besteht, die wegen ihrer Quellfähigkeit für eine hervorragende Feuchtigkeitsabdichtung  sorgen. Nebst Philipp Senn waren die weiteren Nagra-Mitarbeiter Olivier Moser, Lukas Oesch und Heinz Sager auf den beiden Bohrplätzen präsent, um den Pro Bözberg-Mitgliedern gruppenweise die Infrastruktur und die Untersuchungstechniken zu erläutern. Speziell wiesen sie darauf hin, dass beim Siebentage-Betrieb rund um die Uhr auf die strikte Einhaltung der Lärmgrenzwerte geachtet wird. Demnächst soll der Rückbau der Anlagen erfolgen. Nun bleibt abzuwarten, was die bis 2022/2024 zu erwartenden Auswertungen der Dokumentationsunterlagen der drei möglichen Standorte aufzeigen werden. Wie erwähnt, kommt für Pro Bözberg dem Sicherheitsfaktor höchste Priorität zu.

Nach dem Augenschein auf den Bohrplätzen klang der Bettagsanlass traditionsgemäss mit dem geselligen Beisammensein am Grillfeuer aus. 

 

 

Der Wald ist in Gefahr durch seine Funktionäre!

Jürg Keller, Fassung 5. Juli 2020
Als offener Brief an Regierungsrat Stephan Attiger mit Absender PRO BÖZBERG entworfen

 

In tiefer Sorge um unseren Wald – seine Funktionen und seine Schönheit – wenden wir uns an die Kantonsregierung und die Stimmberechtigten des Aargaus mit folgenden Hinweisen:

Unsere Wälder leiden nicht nur an Trockenheit, Stürmen und Borkenkäfern, sondern vor allem durch die groben Eingriffe der Forstwirtschaft.

Das Ökosystem Wald kann seinen Nutzen beim Klimawandel nur als geschlossene Baumformation wahrnehmen. Das Klimagas Kohlendioxid wird nur in grösseren Stämmen gespeichert, also erst im mittleren Alter eines Baumlebens.

Trotz dieser allgemein bekannten Sachlage schlägt die moderne Forstwirtschaft grossflächige Löcher in die Wälder, die dem Wald-Ökosystem mehrfach schaden und seine Bedeutung für die Landschaftsästhetik schädigen.

Der naturnahe Wald dient dem Menschen eigentlich hilfreich zu. Mit ihren Maschineneingriffen macht die Forstwirtschaft aber aus dem Helfer einen Pflegefall. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Verjüngung: Statt dass man diese dem Wald überlässt, werden die nackten Flächen teurer und plantagenartig aufgeforstet.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Forstwirtschaft ist auf dem Weg, das verunglückte Experiment mit unserer Landwirtschaft zu wiederholen. Eine Subvention gebärt eine neue und diese führen noch tiefer in die Sackgasse des heutigen Waldbaus. Die neuen Erntemaschinen im Wald funktionieren wie die Mähdrescher im offenen Land. Und bereits folgt die Forstwirtschaft dem Geschäftsmodell der Landwirtschaft: Grössere Flächen und grössere Maschinen treiben die gleiche Subventions-Spirale an. Die Maschine diktiert die «Waldpflege», wodurch der Wald aber zum langweiligen und aufgerissenen Forst wird.

Der Wald ist in der Regel im Eigentum der Ortsbürgergemeinden. Eigentum sollte eigentlich verpflichten, aber Wald-Eigentümer dürfen diese Verantwortung auslagern: Forstbetriebe übernehmen nicht die ganze Verantwortung, sondern versprechen lediglich schwarze Zahlen. Wie sie zu diesen kommen, steht weitgehend in ihrer Kompetenz.

Der Kanton ist gesetzlich (Aarg. und Eidg. Waldgesetze) verpflichtet, die Naturnähe des Waldbaus durchzusetzen. Von dieser Aufgabe hat er sich aber weitgehend gelöst: Aus dem Kontroller ist ein Komplize geworden. So gedenkt er dem unsinnigen Überangebot an Holz «Markthilfen» anzubieten – natürlich mit Steuergeld. Damit wird der Holzpreis weiter gesenkt, was weitere Markthilfen nach sich ziehen wird.

Es gibt im Kanton und in der übrigen Schweiz durchaus Beispiele, bei denen der geschlossene Wald permanent gehalten wird – und die auch schwarze Zahlen liefern. Diese Beispiele haben eine Eigenschaft gemeinsam: Sie werden grundsätzlich nicht nachgeahmt. Das ist ein sicheres Zeichen für eine Denkblockade bei den Forstverantwortlichen: Diese haben sich auf ihren aktuellen Tunnelblick geeinigt. Selbst das berühmte Gegenbeispiel Basadingen wird nur als Störung in der herrschenden Mode wahrgenommen. Man verzichtet im Wald auf bestehendes Wissen: Das «Lernen vom Urwald»
(H. Leibundgut, ETH) ist vergessen oder verdrängt worden.

Man muss deshalb der aargauischen Bevölkerung jetzt schon raten: Wer den Wald für sich und die Folgegenerationen noch retten will, verweigere bei der Abstimmung zum «Verpflichtungskredit Bewältigung der Waldschäden etc.» seine Zustimmung. Nach der Ausräumung der offenen Landschaft sollten wir uns den Wald nicht auch noch mit Steuergeld verunstalten lassen. 

Jürg Keller, 5. Juli 2020

Armer Wald

Leserbrief, Aargauer Zeitung, Mittwoch, 6. Mai 2020
Zum Beitrag «Ohne Einsatz von schweren Maschinen», Ausgabe vom 16. April 2020

Armer Wald

Die Bewirtschaftung mit diesen schweren Forstmaschinen hat mit nachhaltigem Dauerwaldprinzip nichts zu tun. Schon gar nicht mit Handarbeit. Alle 40 Meter eine Rückegasse zu erstellen, ist verantwortungslos. Die Fahrzeuge hinterlassen eine doppelte Radspur von 60 Zentimeter Tiefe. Dass das sensible Boden-Ökosystem dadurch über Jahrzehnte zerstört wird, ist nicht akzeptabel. Im Frühling laichen Amphibien in den mit Wasser gefüllten Radspuren. Diese können das Wasser nicht halten, sodass X-Tausende Amphibien-Lurche sterben. Mit solcher Nutzung haben die Verantwortlichen des Forstamtes Brugg der Flora und Fauna im Wald den Krieg erklärt. Um schwarze Zahlen zu schreiben (Holzpreis ist zu tief), wird jeder wertvolle Ökobaum geschlagen. Im Waldgesetz steht, dass pro Hektare zwei bis vier solcher Bäume stehen gelassen werden müssen. Das Holz soll genutzt werden, aber nicht auf Teufel komm raus. Durch solch eine intensive Nutzung ergibt sich das Bild eines Zahnstocherwaldes. Nachfolgende Bewirtschafter des Waldes können sich künftig mit der Sense als Werkzeug begnügen. Was vor 70 Jahren mit der Industrialisierung des Kulturlandes geschah, wird jetzt im Wald weitergeführt durch den Forstbetrieb Brugg. Die Funktion des Waldes ist Lebensraum für Pflanzen und Tiere, Reinigung der Luft und Produktion von Sauerstoff, Wasserspeicher, Erholungsraum für Menschen und steht für eine sinnvolle Holzproduktion. Nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes mit Einbezug von ökologischen Aspekten sollte unsere Zukunft sein, Herr Wengi.

Renate Erb, Riniken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nur der «Naturnahe Wald» ist gesetzeskonform!

Nur der «Naturnahe Wald» ist gesetzeskonform!

Leserbrief an «fricktal.info» aus Anlass der Pensionierung von Sebastian Meier, Förster von Sulz-Laufenburg, der den Schreibenden am 3. Juni zu einer Waldbesichtigung in Sulz empfing.

Nur der «Naturnahe Wald» ist gesetzeskonform!

In der Umgebung von Rheinfelden und im oberen Fricktal leidet man an der groben Maschinenbewirtschaftung im Forst (grossflächige Kahlschläge) und kämpft für einen naturnahen Wald. Dass dieser aber auch im Fricktal existiert, erfuhr man anlässlich der Pensionierung des Försters von Sulz-Laufenburg. Sebastian Meier hat dort seit vielen Jahren einen naturnahen Wald (auch Dauer- oder Plenterwald) aufgebaut – mit berechtigter Hoffnung, dass sein bereits tätiger Nachfolger die gleiche Praxis verfolgen wird. Bei meinem Besuch in seinem Wald zeigte Förster Meier eindrücklich die Merkmale dieses Waldbaus:

  • Keine Kahlschläge («clear cuts», im Bözberggebiet bis über 2 ha!)
  • Mehrstufiger Baumbestand (im Flugbild keine Waldlücken)
  • Naturverjüngung (nur wenig Neupflanzungen)
  • Einzelbau-Ernte
  • Die Natur diktiert den Baumbestand, nicht forstwirtschaftliche Moden (wie beispielsweise die heutige Eichen-Manie)

Das Resultat: Der so bewirtschaftete Wald erfüllt seine ökologische und ökonomische Aufgabe ebenso gut wie die immer wichtigere Erholungsfunktion.

Die Frage, die sich hier aufdrängt: Warum muss man um eine solche Selbstverständlichkeit im Fricktal kämpfen und dabei gegen Argumente antreten, die nur Behauptungen sind (z.B. «Steilheit des Geländes» ist deshalb kein Argument, weil der Dauerwald/Plenterwald auch im hügeligen Emmental beheimatet ist).

Die Antwort ist wohl einfach: Die Maschinenforst-Methode verbreitet sich, weil es die Maschinen dazu gibt. Der Mensch braucht seit jeher seine neusten Werkzeuge auch dort, wo ihr Einsatz fehl am Platz ist. Auf keinen Fall ist der Maschinen-Forst aber vom Gesetzgeber gewollt – es gilt das Gegenteil: Im Aargauer Waldgesetz steht gleich am Anfang (§ 1):

«Ziel des Gesetzes ist, den Wald zu erhalten, zu schützen und aufzuwerten, namentlich als Teil einer naturnahen, vernetzten Landschaft, als Lebensraum von Tieren und Pflanzen»

Im schweizerischen Waldgesetz findet man in Artikel 20/2 den Auftrag an die Kantone, sie sollen Bewirtschaftungsvorschriften erlassen, die dafür sorgen, «den Erfordernissen der Holzversorgung, des naturnahen Waldbaus und des Natur- und Heimatschutzes Rechnung zu tragen». Dies bestätigen die Rheinfelde Ortsbürger auch: Sie halten fest, dass sie die Gemeinde in sozialen, kulturellen und ökologischen Bereichen unterstützen wollen.

Faktisch wird also bei der maschinellen Forstwirtschaft (Wald ist nicht gleich Forst!) gegen die gesetzliche Grundmelodie verstossen – und der verantwortliche Kanton ist dabei eher Komplize als Kontrolleur. Dabei stehen wir bei einem helvetischen Grundübel: Kantonsregierungen fühlen sich bei Umweltgesetzen oft anderen Interessen als dem Landesrecht verpflichtet. Was der Thurgau bei den Tierschutzverstössen (z.B. Fall «Hefenhofen») übersehen wollte, scheint nun im Fricktal Nachahmung in der Forstwirtschaft zu finden. Es geht dabei um den landesüblichen «Gesetzesstreik», den ein bekannter Regierungsrat aus dem Baselbiet so definierte: «Der Reiz des Regierens besteht in der Willkür». Der naturnahe Wald hat zwar das Gesetz auf seiner Seite, aber das nützt ihm nur etwas, wenn sich ein flächendeckender Protest gegen die angerichteten Wüsteneien im Wald erhebt. Weil die Naturschutzverbände aber dabei unter seltsamen Beisshemmungen leiden, muss man auf einen wirksamen Protest eher von Jagdgesellschaften oder Vereinigungen wie «Pro Bözberg» setzen, Dazu wäre es höchste Zeit.

Jürg Keller, Rheinfelden
Mitglied von Pro Bözberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Geologische Tiefenlager: Die Standortfrage spitzt sich zu

Die Nagra bohrt am Bözberg. Einmal mehr: schon 1983/84, damals in Riniken. Dort lag aber das erhoffte Kristallingestein unerreichbar tief. Ein Fehlschlag! Nun glaubte die Region 35 Jahre lang, von der Endlagerfrage verschont zu werden. Inzwischen wurde der Opalinuston als „Alternative“ zum Kristallin entdeckt. Auch am Bözberg. So wurde der „Bözberg“ zu Jura Ost und damit abermals zum Mitfavoriten für ein Tiefenlager, neben Lägern Nord und Zürich Nordost. Einer der drei Standorte soll das Endlager „bekommen“.

Nun wird der Untergrund der drei Gebiete geologisch erkundet: Die Schicht-Strukturen mit seismischen Messungen, die Gesteine mit Bohrungen. Dann müssen alle Befunde und Erkenntnisse aus diesen Bohrungen mit den Ergebnissen der seismischen Erkundung kombiniert und für jedes Standortgebiet in ein räumliches geologisches Modell der Struktur und des Schichtaufbaus integriert werden. Eine absolut unverzichtbare Grundlage für die darauf aufzubauende hydrogeologisch-geotechnische Synthese der Gegebenheiten im Gesteins-Untergrund. Und erst danach wird die mögliche Eignung für die langzeitsichere Aufnahme eines Endlagers überhaupt seriös beurteilt und die Auswahl eines Standorts glaubwürdig zu begründen sein. Die Behörden beteuern dabei die Prämisse: Sicherheit hat höchste Priorität! Genau dies fordert der Verein Pro Bözberg, kompromisslos und im Einklang mit dem Aargauer Regierungsrat.

Dessen ungeachtet plant die Nagra demnächst eine Zäsur von inhärent gesellschaftspolitischer Brisanz: die sogenannte „Bekanntgabe“ des Standorts, für den die Nagra ein Rahmenbewilligungsgesuch gemäss Kernenergierecht vorbereiten will. Diese „Bekanntgabe“ ist freilich nichts anderes als die vorgezogene Standortwahl!  Und diese soll gemäss Nagra-Planung bereits in zwei Jahren erfolgen. Das heisst lange bevor die unabdingbaren Ergebnisse der oben genannten geologischen Exploration (Bohrungen) überhaupt ansatzweise fundiert ausgewertet und in eine konsistente Synthese der erdwissenschaftlichen Gegebenheiten im Untergrund der Nordschweiz integriert sein können! Wir werten dies als überhastetes Vorgehen der Nagra, das auch beim Ausschuss der Kantone (AdK) auf Ablehnung stösst. Der AdK kritisierte in seiner Stellungnahme vom September 2017: „Faktisch erfolgt mit diesem Schritt die Standortwahl für ein oder zwei Tiefenlager. Entscheidungsgrundlagen und Auswahlargumente müssen wissenschaftlich-technisch fundiert sein; dies bedingt zumindest in den Grundzügen frühzeitig deren Begutachtung, damit das Risiko eines Fehlentscheids – und damit das Misslingen des Sachplans – minimiert werden kann.“

Unabhängig davon reichte der Vorstand des Vereins Pro Bözberg  dem Technischen Forum Sicherheit im September 2017 formell eine Frage zu dieser politisch heiklen Präzedenz der Standortwahl ein:
https://www.ensi.ch/de/technisches-forum/vorzeitige-standortfestlegung-in-etappe-3/
Wie aus den Antworten der zuständigen Behörden (BFE, Ensi) zu entnehmen ist, erkannten diese immerhin den politischen Zündstoff: Denn die Nagra hat zugesichert, ihren internen Entscheid mit einem begleitenden Bericht zu begründen. Mehr nicht. Daher gilt es für die Bevölkerung des Bözbergs, die weitere Entwicklung mit Argusaugen zu verfolgen und sowohl auf Verfahrenstransparenz und propagandafreie Information über die Ergebnisse der laufenden Felduntersuchungen (namentlich der Tiefbohrungen) und der daraus erarbeiteten Synthesen zu bestehen.

Mit seiner Frage 147 an das Technische Forum Sicherheit hat der Verein Pro Bözberg  auch dazu beigetragen, dass das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi die Nagra verpflichtet hat, in einem Konzeptbericht darzulegen, welche Referenzberichte wann fertiggestellt und zur Publikation bereit sein werden. Dieser Bericht liegt nun vor und kann über die homepage der Nagra heruntergeladen werden:

https://www.nagra.ch/de/cat/publikationen/arbeitsberichte-nabs/nabs-2019/downloadcenter.htm

 

Der Vorstand von Pro Bözberg  wird den zu erwartenden Referenzberichten mit kritisch geschärfter Aufmerksamkeit begegnen und sich bei Unklarheiten und Widersprüchen in geeigneter Weise zu Wort melden.

Bözberg, 22. Juni 2020                   Der Vorstand

 

 

 

 

 

 

 

Gastreferat Herr Prof. Walter Wildi, Dr. sc. nat. ETH

Mitgliederversammlung Pro Bözberg 10. April 2019

Professor Wildi berichtet der Versammlung, dass die Standortsuche für die Lagerung von radioaktiven Abfällen in der Schweiz vor rund 70 Jahren begann, 1949. Er erinnere sich als damaliger Student an Sondierbohrungen im Winter 1969/1970 im Aargau für schwach radioaktive Abfälle. Nach damaligem Fahrplan sei geplant gewesen, das Endlager 1990 zu eröffnen. Heute sei er der Überzeugung, dass er die Eröffnung des Endlagers nicht mehr erleben werde. Prinzipiell sei man heute im Jahr 2019 gleich weit wie damals in den frühen 1980er Jahren. Damals hätten schon Probebohrungen  in Riniken und Schafisheim stattgefunden.

Weltweit belaufe sich der hoch radioaktive Abfall auf rund 12‘000 Tonnen nach aktuellen statistischen Erkenntnissen. In der Schweiz würde der seit Aufnahme des Betriebs aller Kernkraftwerke (KKW) insgesamt entstandene (hoch-, mittel- und schwachaktive) Abfall ungefähr die Bahnhofhalle des Hauptbahnhofs Zürich mit ca. 100’000 Kubikmeter füllen. Dieses entspreche rund 0,5 % der weltweiten Produktion der Abfälle aus der „friedlichen“ Nutzung von Atomenergie durch die Schweizer KKWs.

Relevant sei aber nicht die Quantität der Abfälle, sondern deren Toxizität. Weltweit habe man sich auf eine einheitliche Strategie des Umgangs mit dem Abfall, wie sich herauskristallisiert, geeinigt: Die geologische Endlagerung. Dieses sei die offizielle Version.

Was man hingegen wirklich mache, sei Zwischenlagerung. Dieses sei auch in der Schweiz der status quo. Es sei unbekannt, wie  lange dieser Zustand dauern werde.

Es bestehe ansatzweise eine Alternativstrategie: Die Transmutation von hochaktiven Abfällen. Die Umwandlung von Atommüll zu dessen Entschärfung. Momentan werde das nicht aktiv weiter verfolgt.

Es bestehe weiter ein internationaler Konsens, dass jedes Land seinen eigenen Atomabfall zu entsorgen habe. Derzeit bestehe ein einziges geologisches Endlager weltweit: in Finnland; es habe jedoch noch keine Betriebsbewilligung. Es biete Platz für den Abfall von 5 finnischen KKWs. Diese Menge sei vergleichbar mit derjenigen der Schweiz. Das Problem dabei sei, dass die Schwedische Justiz die  Kupfer-Ummantelung der Abfallbehälter  bis auf weiteres ausgesetzt habe. Grund dafür seien gravierende materialtechnische Fragen; diese „Lösung“ sei daher derzeit blockiert. Deswegen gehe es auch in Schweden nicht vorwärts. Ein weiteres Problem sowohl in Schweden wie in Finnland sei, dass das geologische Endlager in zerklüftetem und daher wasserdurchlässigem Granit liege. Frankreich habe ein eher aussichtsreiches laufendes Verfahren für ein Endlager in Bure (Dept. Haute-Marne); hier besteht das Wirtgestein, so wie im schweizerischen Referenzkonzept, aus einem geringdurchlässigen Tongestein. Die USA müssten nach Rückschlägen wieder praktisch von vorne beginnen. In Deutschland sei es genauso.

Die Schweizer Behörden planten die Fertigstellung des Endlagers für das Jahr 2050 (schwach- und mittelaktive Abfälle (SMA) sowie 2060 für die hochaktiven Abfälle (HAA). Der Termin verschiebe sich allerdings stets kontinuierlich weiter in die Zukunft.

Die Schweizer Lösung sehe Endlager in einer Tiefe von rund 500 m – 900 m vor. Das Wirtgestein sei die Formation des Opalinustons. Eine Maxime des Konzepts in der Gestaltung des Tiefenlagers sei die Möglichkeit, dass künftige Generationen die eingelagerten Abfallbehälter weiter überwachen und gegebenenfalls wieder zurückholen könnten.Die konkrete Ausgestaltung der Lagerung von HAA nach dem aktuellen Schweizer Konzept entspreche allerdings in etwa dem bald 50-jährigen schwedischen Konzept aus den 1970er-Jahren. Man wolle die verbrauchten Brennstäbe in Behälter aus Stahl-Zylindern in Stollen einlagern, die vorgängig aus dem Ton des Wirtgesteins herausgefräst worden wären. Allmählich  würde sich der Ton infolge der Bergfeuchte aufblähen (quellen) und dadurch die zylindrischen Behälter in den Stollen dicht versiegeln, so dass auch dort kein Wasser reinkomme. Problematisch sei der Umstand, dass Ton plastisch werde beim Kontakt mit Wasser. An sich sei Ton wegen seiner selbstabdichtenden Eigenschaften ein sehr geeignetes Material. Diese Plastizität bei Wasserkontakt erschwere aber die Erstellung von begehbaren Stollen durch Maschinen und Menschen. Würden diese Stollen zu gross ausgestaltet, fielen sie früher oder später in sich zusammen durch den Kontakt mit Grundwasser. Für dieses Problem bestehe noch keine robuste Lösung.

Abgesehen davon handle es sich um ein grundsätzlich „charmantes“ Konzept. Das Problem sei, dass es schwer umsetzbar sei. Die sich aus technisch-wissenschaftlicher Sicht stellenden Probleme würden weder seriös wahrgenommen noch gründlich angegangen. Das Ausmass der Langzeit-Korrosion der Stahlzylinder sowie das Verhalten der Bentonit-Verfüllung seien zu wenig untersucht.

Es fehle sowohl bei den Entsorgungspflichtigen (Nagra) als auch bei den Behörden (Ensi, BfE) der Wille, die offenen Fragen aus technisch-wissenschaftlicher Sicht überzeugend zu untersuchen und auf Langzeiteignung zu testen. Es bestehe quasi eine technische Blockade. Es gebe weder Fortschritte noch Verbesserungen. Dazu gesellen sich gravierende Defizite  bei der Organisation des ganzen Projekts im Sachplanverfahren.

Das derzeit vom Bundesamt für Energie schwach geführte  Sachplanverfahren räume der  Sicherheit und den Risiken wenig Priorität ein. Es sei in erster Linie ein politischer Prozess. Dieser politische Prozess könnte letztlich ablenken von der möglichen Nicht-Eignung eines gewählten Standortes gemäss den wissenschaftlichen Kriterien. Politische Machbarkeiten könnten höher gewichtet werden als wissenschaftliche Sicherheitsüberlegungen.

Der Standort Bözberg weise zahlreiche mögliche Nutzungskonflikte im Gesteinsuntergrund auf. Frühere Bohrungen zeigten, dass ein hohes Potenzial an Kohle, Gas und vielleicht sogar Öl vorhanden sei. Eine spätere Ausbeutung dieser Ressourcen durch künftige Generationen könnte zu einem Absenken von Bodenschichten, ggf. zum ungewollten Durchbohren endgelagerter Substanzen führen. Bund und Nagra sehen die „Lösung“ dieses Konflikts in einem rechtlichen Verbot der Ausbeutung. Doch das Lager mit hochaktiven Abfällen habe einen zeitlichen Horizont von mehreren zehntausend Jahren. Es könne realistischerweise aus rechtlicher Sicht nicht über einen solchen Zeitraum und über zahlreiche Generationen  sichergestellt werden, dass eine solche  Regelung fortbestehe und ggf. auch rigoros durchgesetzt würde. Verbote könnten auch wieder aufgehoben – oder ganz einfach „vergessen“ werden. Daher sei der Bözberg als HAA-Standort ungeeignet. Auch sei eine Interferenz möglich mit Transportwegen und mit der Zementindustrie  (Abbauvorhaben in Steinbrüchen). Dieses sei auf dem Bözberg durchaus  realistisch.

Zudem bestünden  geologische Strukturen mit tektonisch gestörten Zonen. Allein aufgrund dieser Tatsache sei die Langzeit-Sicherheit des Standorts Bözberg fraglich.

Die Finanzierung des Endlagers und der Weg dorthin sei  im Jahr 1983 auf  rund zwei Milliarden Schweizer Franken geschätzt worden. Im Jahr 2019 sei man inzwischen bei 25 Milliarden Schweizer Franken angekommen. Die Schätzung sei linear gestiegen mit jedem weiteren Arbeitsschritt und mit immer neu hinzugekommenen Erkenntnissen über Problemstellungen und deren Auswirkungen auf die Gesamtkosten. 2020 beginne der Rückbau des KKW Mühleberg. Daraus könnten weitere Hinweise auf zusätzliche Kosten entstehen. Es könnte noch viel, viel teurer werden.

1969 wurde das erste KKW in der Schweiz ans Netz genommen und das letzte 1983. Seit ca. 80 Jahren werde in der Schweiz die Atomkraft genutzt. Die Hälfte der aktuell geschätzten Endkosten von rund 25 Milliarden Schweizer Franken sei momentan gedeckt (Entsorgungsfonds). Der Rest sei noch nicht angespart worden.

Ereignete sich ein grosser Unfall in nächster Zeit in Europa, müsste mit einer sofortigen Stilllegung aller KKWs in der Schweiz gerechnet werden. Dann entfiele weiterer Gewinn und folglich  weitere Ersparnis für die restlichen 12,5 Milliarden Schweizer Franken. Diese müssten dann durch die öffentliche Hand finanziert werden.

Ethisch betont zwar die aktuelle Planungsorganisation, Sicherheit für Mensch und Umwelt zuoberst auf die Agenda zu schreiben. Handlungsziel sei, das Problem so zu lösen, dass künftige Generationen, falls diese eine Lösung für die Abfallproblematik fänden, das Endlager wieder „rückholen“ könnten. Auch werde mit der Lösung durch unsere Generation das Verursacherprinzip bestmöglich umgesetzt.

Die Realität zeigt jedoch, dass dieses Verursacherprinzip derzeit ohnehin nicht eingehalten werde und auch nicht mehr eingehalten werden könne. Man habe sich das „Ei bereits gelegt“ für die bestehende und künftige Generationen. Die Finanzierung sei nicht sichergestellt. Eigentlich sei das völlig inakzeptabel. Man lebe derzeit in einer kollektiven Mitschuld, ähnlich wie beim Klima. Wir seien diesbezüglich eine verantwortungslose Generation.

Politisch sei die Stimmung bezüglich der Endlager stark schwankend und abhängig von äusseren Faktoren. Ereignisse wie in Fukushima würden viel Dampf in den Kessel bringen. Nach einem solchen Ereignis sei dann der Dampf bald wieder weg. Betreiberfirmen der KKWs wie die Alpiq und die Axpo gehörten zwischenzeitlich praktisch vollständig der öffentlichen Hand. Betreiber der KKWs seien eigentlich die Kantone.

Das Interesse in der Bevölkerung hinsichtlich der Endlager-Standortwahl habe abgenommen. Der Druck sei weg. Es bestehe eine unklare Zukunft. Vielleicht fänden wir gar keine Lösung mehr in diesem Jahrhundert. Die letzten 50 Jahre Arbeiten auf diesem Thema hätten eigentlich zu praktisch nichts geführt. Man habe nichts erreicht. Das Thema habe zudem an Aktualität eingebüsst auf der politischen Agenda. Erschwerend komme hinzu, dass auch die aktuelle Stossrichtung aus wissenschaftlicher Sicht fraglich sei. Die derzeit geplanten Sondierbohrungen bringen aus seiner Sicht wenig Neues, insbesondere bezüglich der drängenden Fragen zu den akuten Nutzungskonflikten im tiefen Untergrund. Es werde absichtlich nicht tief genug gebohrt. Das Projekt in Frankreich sei erfolgsversprechender: Überzeugendes Einlagerungskonzept, keine Nutzungskonflikte mit Kohlenwasserstoff-Ressourcen im Untergrund, tektonische Stabilität (Erdbeben) etc.

Das Referat wird mit grossem Applaus durch die Versammlung verdankt. Der Präsident bittet um Erläuterungen zur Folie mit dem Profil zum Querschnitt der Gesteinsschichten im Kanton Aargau vom Rhein bis zum Hallwiler-See. Prof. Wildi nimmt detailliertere Erläuterungen vor. Er gibt auch zu bedenken, dass die Bohrtechnik in den letzten Jahren starke Fortschritte gemacht habe und mit einer Tiefe von 500 m – 900 m selbst das Risiko von terroristischen Motiven nicht ausgeschlossen werden könne. Mit aktueller Bohrtechnik könne man in rund einer Woche bis auf diese Tiefe vordringen.

Vorstandsmitglied Theo Sonderegger bittet um weitere Erläuterungen zum internationalen Ansatz. Prof. Wildi betont, dass die USA ursprünglich den „Lead“ hatten. Allerdings zeichnete sich dann eine Art Konsens ab, dass jedes Land eigenverantwortlich den eigenen Atommüll beseitigen solle. Aus wissenschaftlicher Sicht sei dieses Verhalten unvernünftig, weil der global bestgeeignete Standort gefunden werden sollte. Die Suche sollte nicht in einzelnen Ländern nach politischen Zuteilungen der Territorialität stattfinden. Die Wahl nach dem sichersten und dem bestgeeigneten Standort sollte aus wissenschaftlicher Sicht weltweit ohne Einschränkung von Landesgrenzen stattfinden. Es sei insbesondere rücksichtlich der kriegerischen Veränderungen von Territorien und Ländern in den letzten tausend Jahren fragwürdig, ob das aktuell verfolgte Konzept der Eigenverantwortung der einzelnen Länder über tausend Jahre hinweg eine sinnvolle Lösung sei.

Ein namentlich nicht bekannter Herr aus dem Publikum erkundigt sich, ob die Förderung von Kohle realistischerweise wieder aktuell werden könnte. Prof. Wildi vertritt die Auffassung, dass sich eine Tendenz abzeichne, künftig wieder Kohle aus Gesteinsschichten zu fördern. Das sei denkbar. Die Technik habe sich in diese Richtung entwickelt und entwickle sich derzeit weiter. Zwar sei Afrika für diese Kohleförderung in der Tiefe besser geeignet, da es weniger warm sei im Untergrund als in Europa. Hierorts nehme die Temperatur um 30 °C pro Kilometer Richtung Erdinneres zu. In Afrika seien es  ca. 20 °C.

Der Präsident bittet um Erläuterungen zu den aktuellen Ansätzen von China und USA, mit neuen Techniken die Energiegewinnung aus Atomenergie schonender und mit weniger Abfall zu gestalten. Prof. Wildi meint dazu, es sei nur schwer zu prognostizieren, in welche Richtung diese  Entwicklung führe. Sicher seien wirtschaftliche Motive im Vordergrund.

Ein namentlich nicht bekannter Herr erkundigt sich nach Versuchen des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) zur Transmutation (Umwandlung von Radionukliden). Gemäss Prof. Wildi hätten diese Versuche mit kleinsten Materialmengen stattgefunden, sie seien bisher ergebnislos geblieben.

Mitglied und Pressevertreter Peter Belart erkundigt sich, welches aus Sicht von Prof. Wildi nun die geeignete Lösung sei. Dieser bittet um die nächste Frage. Es bricht Gelächter aus. Ernsthaft erläutert Dr. Wildi, dass man nicht viel weiter sei, als  zu Beginn der Überlegungen zur nuklearen Entsorgung. Der Umgang mit der Atomenergie sei ein grober Zivilisationsfehler. Es bestehe nach seiner Meinung keine „Lösung“. Man müsste aus seiner Sicht eine neue Auslegeordnung vornehmen. Man habe sich 50 Jahre lang in die falsche Richtung bewegt. Ein Neustart wäre sinnvoll. Aus seiner Sicht sollten die Landesgrenzen überwunden werden, um Lösungsansätze international verfolgen zu können. Ein schlechter Standort (z.B. auch in der Schweiz) könne die Sicherheit anderer Länder gefährden. Dafür bestehe allerdings im Moment international keine Einsicht. Man müsste mit den Nachbarn reden.

Frau Astrid Baldinger nimmt Anstoss daran, dass sie durch Vertreter der Organisation der Standortwahl orientiert worden sei, der Standort Bözberg sei „sicher“. Sie glaube dieses nicht. Prof. Wildi bestätigt, dass Prognosen wiederholt verfrüht gemacht worden seien und werden. Der aktuelle Prozess sei weitgehend  politisch gesteuert statt wissenschaftlich-technisch. Die Standortfindung sei degradiert worden zu einer administrativen Leistung im Sachplanverfahren. Die Sicherheit sei in den Hintergrund gerückt. Auch wenn von „offizieller“ Seite jeweils das Gegenteil beteuert werde.

Der Präsident leitet über, dass diese Feststellung von Prof. Wildi exakt der Wahrnehmung von Pro Bözberg und seinem Vorstand entspreche. Die Haltung sei, dass Sicherheitskriterien imperativ vor politischer Machbarkeit stehen müssen. Dr. Wildi bestätige, dass hier der Verein sich weiter in diese Richtung engagieren solle.

Bericht erstellt vom Vereinsaktuar: Raphael Haltiner, redigiert durch André Lambert und Theo Sonderegger

Folien zu Gastreferat von Herrn Prof. W. Wildi

Bettagsanlass 2019, Festkonzert 40 Jahre «Música Española Schweiz»

Am 15. September 2019 lud Pro Bözberg am Bettagssonntag zum Festkonzert in die Kirche Bözberg ein. Maria Luisa Cantos spielte mit ihrem langjährigen Klavierpartner Amri Alhanmbra ein abwechslungsreiches Jubiläums-Programm. Sie präsentierten wechselweise an einem oder zwei Flügeln Klavierwerke von Wolfgang A. Mozart, Claude Debussy, Julien-François Zbinden und dem Spanier Salvador Brotons – ein funkensprühendes Konzert voller Leidenschaft.

Hier geht’s zum Zeitungsartikel: Festliches 40-Jahr-Jubiläum der Stiftung «Musica Española Schweiz»

 

Tiefenlager: Pro Bözberg ist besorgt

Tiefenlager: Pro Bözberg ist besorgt

Vorstand und Mitglieder von Pro Bözberg beobachten und analysieren mit kritischer Aufmerksamkeit sowohl die Planung, die Verfahren als auch die bisherigen Erfahrungen mit der „Entsorgung“ des Atommülls.

In seiner Stellungnahme vom 31. Januar 2018 zum „Sachplan geologische Tiefenlager“ (Etappe 2/3) an das Bundesamt für Energie forderte der Verein Pro Bözberg unter anderem:

  • Angesichts des Realisierungsplanes (Betriebsbewilligung Lager für hochradioaktive Abfälle HAA ab 2060), müssen zwingend auch Alternativen (neue technische Möglichkeiten) und konkrete Risikovergleiche für Mensch und Umwelt mit andern europäischen Endlagerkonzepten geprüft und beurteilt werden.“

Diese Forderung ist aktueller denn je. Denn gerade im internationalen Vergleich zeigen sich in praktisch allen, heute geplanten, begonnenen und den bereits dramatisch gescheiterten (!) „Endlagerprojekten“ gravierende Schwachstellen.

Eine Übersicht der derzeit weltweit bekannten Tiefenlager-Probleme und Endlager-Havarien findet sich im Blogbeitrag von „Nuclear Waste“ (20. Mai 2018):

http://www.nuclearwaste.info/von-der-geologischen-tiefenlagerung-zur-dualen-strategie/

Zudem gibt der Autor dieser Studie ein beachtenswertes TV-Interview:

http://shf.ch/index.php?huet-im-gsproech-14-mai-2018

Man muss sich vor Augen halten: Das Konzept des Tiefenlagers basiert auf der Annahme, dass die hochradioaktiven Abfälle für 1 Million Jahre sicher, unberührt und unberührbar hunderte Meter unter der Erdoberfläche vom Lebensraum ferngehalten werden können.

Das bereits dokumentierte und absehbare global-kollektive Fiasko erschüttert das Konzept der Tiefenlagerung in seinen Grundfesten: Es muss dringend und vorurteilslos einer grundsätzlichen Prüfung unterzogen werden – unter Einbezug sämtlicher Erfahrungen und Fehlentscheidungen –, in einer internationalen Auslegeordnung. Dies erfordert Zeit. Zeit, die man sich nehmen muss. Zeit, die aber ohnehin vorhanden ist, da die bisherigen Realisierungspläne alle um Jahrzehnte verzögert werden. Eine Aus-Zeit und neue Denkansätze aufgrund der Erfahrungen, der technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sind ein Gebot der Stunde!

Die Tiefenlagerung von Atommüll auch gemäss heutigem Konzept von Nagra und Ensi treibt havariert in Schieflage. Es genügt nicht mehr, sich einfach hinter „Verfahren“ zu verschanzen, wenn die globalen Erfahrungen nicht annehmbare Risiken zeigen.

André Lambert und Heiner Keller, Mitglieder des Vorstandes

22. Mai 2018